Als Unternehmer treffen wir jeden Tag Entscheidungen: Von der Wahl der Kaffeekapselfarbe bis hin zum Entscheid, a) das Haus/die Firma/das Lebenswerk vor der Übergabe neu zu streichen oder b) dies dem Nachfolger zu überlassen. Wer als Unternehmer entscheiden kann, hat, eben, entscheidende Vorteile. Nicht nur im Sinne der externen Anerkennung, die den "Macher-Typ" als Meister der Entscheidung in den Olymp hievt ("...er ist ein richtiger Macher-Typ"). Sondern auch im Sinne der internen Eigenwahrnehmung ("...je mehr ich entscheide, desto besser wird mein Entscheidungsmuskel...").
Entscheidungsmuskel, Erfahrung und Strategie
Von aussen betrachtet bemerkt man die Stärkung dieses "Muskels" am Begriff der Erfahrung, dem Konzentrat aus allen bislang gefällten Entscheidungen. Je nachdem kann dieses Resultat einen positiven oder einen negativen Zwischensaldo aufweisen. Im einen Fall sprechen wir vom "erfolgreichen Unternehmer". Im anderen Fall schweigen wir lieber. Eine gute Strategie für den Unternehmer wäre es demnach, möglichst "viel", möglichst "schnell" und möglichst "richtig" zu entscheiden. So weit so gut. Oder doch nicht.
Schnell entscheiden macht keinen Meister
Schnelles Entscheiden macht keinen Meister. Warum? Ein Beispiel dazu: Habe ich etwa schnell den Entscheid gefällt, die Saat auszutun, heisst das noch lange nicht, dass ich das Feld bearbeiten und auch tatsächlich säen werde. Noch lange nicht jeder, der sofort "A" sagt, sagt konsequenterweise auch "B". Das liegt nun mal in unserer Natur.
Als Unternehmercoach nenne ich dies den "Ankündigungs-Bluff", was sich in Worten anhört wie "...so, jetzt müssen wir sofort wieder rausgehen und den Markt konsequent bearbeiten..." und sich in Taten manifestiert, wie zum Beispiel einer Rechtfertigungs-Powerpoint-Schlacht am Meeting vier Wochen nach der Ankündigung (NB: In Sachen Entscheidungen gibt es nur zwei "Aggregatzustände": Resultate oder Rechtfertigungen. Basta, das lehrt mich meine über 30-jährige Erfahrung als Unternehmer).
"Entscheidung ohne Tat ist wie die Wiese ohne Saat.
Beim einen fehlt Erfahrung beim andern das Substrat."
Variante 1: Entscheiden. Starten. Warten.
Wer schnell entscheidet und umsetzt, tut nichts anderes als das - schnell entscheiden und umsetzen. Entscheiden und starten und dann warten - auf die nächste Runde, den nächsten Entscheid, die nächste Herausforderung. In der Rhetorik nennt man dies Schlagfertigkeit. Im Unternehmen nenne ich dies "operative Hektik" - eine zeitliche Unmittelbarkeit zwischen Entscheid und Umsetzung, die selten zum Ziel aber oft ins Chaos führt.
Nicht selten ertönen dann Stimmen im Flurfunk wie "...wir haben so viel zu tun..." oder "...es sind so viele Projekte offen..." oder "...wenn wir doch wenigstens das eine Projekt abschliessen würden...". Kennen Sie das? Kommen Sie, seien Sie ehrlich! Die Maxime lautet doch heute, schnell schnell, hopp hopp...wer bremst verliert. Entscheiden, starten. Entscheiden, starten.
Dabei können schnelle Entscheidungs-Umsetzungs-Ketten durchaus ihre Qualität haben. Aber nur dann, wenn der Entscheid im Sinne von Malcolm Gladwells "Blink" auf Dingen wie Intuition oder Erfahrung aufbaut. Aber "schneller" ist nicht immer gleich "besser".
Variante 2: Entscheiden. Warten. Starten
Es gibt eine Geschichte, wonach Vorbild-Unternehmer und Amazon-Gründer Jeff Bezos von Anfang das Ziel verfolgt haben soll, Amazon dereinst zum weltweit grössten Retailer zu machen. Er hat früh entschieden ("schneller Entscheid"), mit Büchern zu starten, danach viele andere Kategorien konsequent getestet und Erfahrungen gesammelt ("viele Entscheide") und somit den Umsatz seit der Gründung ver-zig-facht ("richtiger Entscheid"). Was in dieser Aufzählung aber auch in vielen anderen Fällen fehlt, ist die Betrachtung der der Zeitspanne zwischen Idee/Entscheid und Umsetzung/Resultat. Bezos hat gewartet, obschon er schon vor bald 20 Jahren mit seinem 360°-Angebot hätte starten können. Hier bekommt der Begriff des "Timings", sprich des "richtigen Zeitpunktes" etwas anzupacken, mehr Trennschärfe.
Katzen, Karate und ganz viel Kohle
Katzen können Stunden vor dem Mauseloch ausharren. Karatekas sammeln ihre Kräfte, bevor sie den Makiwara schlagen. Trader warten auf das beste Zeitfenster, um einen Deal zu schliessen. Und mein Freund und Comedian Guy Landolt wartet auf der Bühne bis der "richtige" Zeitpunkt für seine Pointe gekommen ist, damit er das Publikum so richtig zum Explodieren bringt.
Entscheiden. Durchatmen. Durchstarten.
Für Unternehmer wie Sie und ich könnte dies heissen.
1. Schnell entscheiden.
2. Warten auf den besten Moment zur Umsetzung.
3. Erst dann anpacken und durchstarten.
Wer hier den zweiten Schritt auslässt und auf "Tempo-Dalli-Dalli" macht, muss sich nicht wundern, wenn im Blindflug und im hohen Tempo im Nebel der "Nebel der Komplexität" untergeht.
Wann werfen Sie die Kiste namens "Tempo-Dalli-Dalli" über Bord?


